Wer meinen Tagebucheintrag aus KW 09 Gut gemeint ist die kleine Schwester von Scheiße gelesen hat, weiß, dass meine Uni oft Dinge gut meint, die dann letztendlich in der Umsetzung aber kläglich scheitern. Diese Woche war aber alles anders. Und das lag an zwei Professoren, von denen ich nicht nur fachlich den Hut ziehe, sondern die es wirklich schaffen, mich didaktisch zu begeistern – völlig ohne jegliche Ironie.
Manchmal glaube ich, dass einige Dozenten die Lehre als ein plattes Frage-Antwort-Spiel betrachten, das sowieso nur sie selbst gewinnen können. Oder alternativ: Sie nehmen das Wort Vorlesung zu wörtlich. Skripte werden 1:1 vorgelesen. Wenn man Glück hat, ist der alte Sack im Sakko so technikversiert – oder hat eben einen HiWi, der das bei seiner Bewerbung als Qualifikation angegeben hat – und er liest die Power-Point-Folien vor. Hat den Vorteil, dass man nicht auf das in den Bart genuschelte Wort des Sakko-Sacks angewiesen ist.
Aber ich meckere wieder viel zu viel. Ich möchte dir ja eigentlich die Ausnahmen zeigen. Zeigen, dass es gute Dozenten mit tollen Ideen und der Einsicht gibt, dass gute Lehre Dozent und Student Spaß machen sollte – vielleicht sogar muss.
Die Stichsäge und der Durchschnitt
Mittwoch hatte ich eine Vorlesung, vor der ich etwas Bammel hatte. Unbekannter Prof und die Aussicht auf Empirische Informationswissenschaft. Empirie = Mathe. Mathe + Ich = Error. Das funktioniert einfach nicht. Wie teilen durch 0. Klappt nicht, geht nicht, darf nicht.
Leicht verwirrt war ich dann schon, als er den Raum mit einer Plastik-Klappbox von Real und einem großen Straßenbesen betrat. Daraus brachte er einen Kleiderbügel zu Tage. Ich muss zugeben, dass mein Kopfkino an dieser Stelle sofort das Bild von dem biederen Prof. Dr. Dr. auswarf, der vor der Vorlesung (hier bitte wieder wörtlich nehmen) sein Sakko auch noch aufhängt. Auf einem Kleiderbügel.
Aber er behielt sein Sakko an. Der Kleiderbügel bekam aber tatsächlich noch seinen Auftritt. Er erklärte uns also den Unterschied zwischen dem allseits bekannten Durchschnitt und dem gewichteten Durchschnitt. Das klang alles ganz nett, aber wirklich wirklich verstanden hatte ich das nicht. Bis er den Besen holte. Er tarierte die Stelle aus, an der er den Besen auf einem Finger balancieren konnte und markierte diese. Das fanden mein Kommilitone und ich schon fragwürdig, weil wir vermuteten, dass der Hausmeister das vermutlich wenig lustig finden würde. Aber wir sind uns auch sicher, dass jeder Hausmeister so creepy ist wie der aus Scrubs.
Nach der Markierung folgte die Frage, welche Seite wohl schwerer sei. Die Kurze mit den Bürsten oder die lange Seite mit dem Großteil des Stiels. „Na dann wollen wir mal sehen.“, sagte Prof. Dr. Dr., bückte sich und holte eine Stichsäge heraus. Und ja, er hat den Besen inmitten des Hörsaals mit einer Stichsäge zersägt. Danach hat er beide Seiten an den Kleiderbügel gehängt, um zu beweisen, welche schwerer ist. Was denkst du?
Na und!?
Das alles klingt vermutlich in der Nacherzählung nicht annähernd so phantastisch und mitreißend wie es war. Wenn man jemanden auf der Straße einen Besen zersägen sieht, hält man ihn zwar für bekloppt und zweifelt seinen Geisteszustand oder zumindest seine Motive an, aber man vergisst diesen Akt der Zerstörung schnell wieder. In diesem Moment im Hörsaal hatte ich aber – ja, vielleicht zum ersten Mal – wirklich das Gefühl, dass da jemand ist, der trotz dreier Titel weder den Spaß an der Thematik noch an den Studierenden und vor allem nicht an der Lehre verloren hat. Wie beeindruckt ich war – und noch immer bin. Denn er hat mehr davon angekündigt.
In dieser Vorlesung herrscht keine Anwesenheitspflicht. Trotzdem glaube ich, dass diesmal die meisten Studenten auch in der 5. Uniwoche noch kommen werden. Denn so macht Lehre Spaß.
Die Sache mit der unbekannten Flüssigkeit
Freitags habe ich eine Vorlesung bei einem Prof, der mich letztes Semester schon begeistert hat. Viel konnte also nicht schief gehen.
Grob gesagt ging es um Beschreibungen bzw. Tags. Du weißt schon, wie in „Hashtag“ oder #picoftheday bei Instagram. Sowas eben. Aber mehr wissenschaftlich, weniger platt und besser. Denn der Prof packte eine Flasche mit einer unbekannten Flüssigkeit aus und ließ die Frage, was das denn sein könne, erstmal auf uns wirken. Ich als Analphabet des Alkoholismus hatte auf Apfelsaft getippt. Bei den Plastik-Pinneken (so heißen die Dinger im Norden – wie nennt man die sonst? Pinnchen, Shots etc. – du kennst das), die plötzlich nur gering, aber eifrig von den Tutoren befüllt wurden, schwante mir schon Böses. Der Alkoholgeruch in der Luft sagte mir, dass ich nicht nur falsch lag, sondern auch die Finger von den heißbegehrten Plastik-Dingern lassen sollte.
Es stellte sich heraus, dass es schottischer Whisky – ohne e – war. Von dem sich auch der Prof am Ende noch einen hinter die Binde kippte.
Genial oder genial?
Ich schätze solche Aktionen von Dozenten immer sehr und finde es schade, wenn solch Kreativität in der Lehre kritisiert wird. Natürlich ist es unkonventionell und über Alkoholkonsum während der Vorlesung meckert der militante Abstinenzler sowieso, aber so ist man sich der Aufmerksamkeit der Studierenden eben sicher – und das langfristig. Spätestens, wenn der Dozent die Stichsäge rausholt oder eine Runde Whisky schmeißt, hört auch der South Park guckende Student sofort mit dem Binch-Watching auf.
Fun Fact: Hätte mir jemand die Macht der Hebelwirkung in der Schule mit einer Stichsäge und einem Besen erklärt, wäre ich vielleicht nicht wegen Physik fast sitzengeblieben.
Hast du auch Lehrer oder Dozenten, die sich für die Lehre richtig was einfallen lassen? Oder hast du das Pech, nur Schnarchnasen zu haben? Mich würde deine Geschichte wahnsinnig interessieren!
Kümmert sich jetzt um die Vorproduktion der Blogartikel für kommende Woche
-missmoere